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Schwäbische ZeitungDurchkreuzt der geplante neue Bahnhalt in Merklingen auf der Schwäbischen Alb den Fahrplantakt einer künftig elektrifizierten Südbahn? Mit dieser Frage befasste sich am Montagabend der Bauausschuss des Biberacher Gemeinderats. Tenor der Debatte: Der Haltepunkt auf der Alb ist sinnvoll, er darf aber nicht zulasten des Fahrplans auf der Südbahn zwischen Ulm und Lindau gehen, für deren Elektrifizierung Kommunalpolitik und Wirtschaft entlang der Strecke seit vielen Jahren kämpfen und finanziell bereits in Vorleistung gegangen sind.
Die Stadt Biberach ist zwar planerisch für die Elektrifizierung nicht zuständig, die Verwaltung informiert die Stadträte aber in unregelmäßigen Abständen über den Stand des Projekts, so auch am Montag. „Eigentlich haben wir bei der Elektrifizierung der Südbahn eine ganz gute Entwicklung“, sagte Baubürgermeister Christian Kuhlmann. Der Baubeginn ist für Herbst 2018 vorgesehen. Problematisch sei die nachträgliche Aufnahme des Bahnhaltepunkts Merklingen (siehe nebenstehender Bericht), schreibt die Stadt in der Sitzungsvorlage. Dieser Halt bedinge auf der Südbahn einige infrastrukturelle und fahrplantechnische Anpassungen, deren Auswirkungen von den Mitgliedern des Interessenverbands (IV) Südbahn, dem auch Biberach angehört, sehr kritisch gesehen werden. Dies habe man Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) in einem Brief mitgeteilt.
Durch den Halt in Merklingen kommt es zu einem Zeitverlust von zwei bis drei Minuten. Das hat laut IV Südbahn zur Folge, dass am Kreuzungsbahnhof Aulendorf die Anschlüsse ins Allgäu nicht mehr erreicht werden. Eine Abstimmung mit der Allgäubahn sei bislang nicht in Sicht. Außerdem plane die DB Netze AG, die IRE-Linie Würzburg-Heilbronn-Stuttgart-Ulm-Friedrichshafen-Bludenz in Friedrichshafen zu brechen. Bedingt durch das sehr enge Fahrplankorsett aufgrund des Halts in Merklingen, würde das alle Bahnhöfe östlich von Friedrichshafen von einer durchgehenden umsteigefreien Anbindung nach Stuttgart ausschließen. Dies könne vom IV Südbahn nicht akzeptiert werden.
Bis auf die Grünen-Fraktion teilten alle anderen Fraktionen im Biberacher Gemeinderat diese Bedenken. „Dass die Laichinger Alb den Bahnhalt will, ist nachvollziehbar“, sagte Friedrich Kolesch (CDU). Hier habe es aber von Minister Hermann eine Zusage gegeben, ohne dass im Vorfeld geklärt worden sei, wie der Zeitverlust wieder aufgeholt werde. „Wenn das Land eine Zusage für den Halt in Merklingen gibt, dann muss es dafür sorgen, dass die Zeit auf der Strecke Stuttgart-Ulm wieder wettgemacht wird, zum Beispiel durch schnellere und bessere Züge“, so Kolesch.
Die Zusage für den Halt in Merklingen zeige, was politischer Druck und geschickte Diplomatie beim Minister und der Deutschen Bahn bewirkt hätten, sagte Lutz Keil (SPD). Er sei den Merklingern deswegen nicht böse. „Die versprechen sich eine gigantische Entwicklung, das ist eine Riesenchance.“ Alle Beteiligten an der Südbahn-Elektrifizierung sollten aber deutlich machen, dass sie in Vorleistung gegangen seien, „und dass am Projekt Südbahn für uns so viel hängt wie für die Merklinger an ihrem Bahnhalt“ so Keil.
„Ein Treppenwitz“
Das Ganze zeige, wir sehr Raumschaften ihre Interessen vertreten, ohne dabei auf das Ganze zu schauen, sagte Ulrich Heinkele (Freie Wähler). Der IV Südbahn dürfe sich jetzt nicht auseinanderdividieren lassen. „Wir müssen da jetzt unheimlich aufpassen.“ Sollte der Bahnhalt in Merklingen Nachteile für die Verbindungen ab Aulendorf und Friedrichshafen mit sich bringen, wäre das ein Treppenwitz, so Heinkele. „Von mir aus soll Merklingen seinen Halt bekommen, aber im Prinzip ist mir das wurscht“, so Heinkele. Diese Meinung werde er auch als Kreisrat im Biberacher Kreistag vertreten. Man möge dem Minister vertrauen, dass er für die angesprochenen Probleme eine Lösung finden werde, sagte Josef Weber (Grüne). Er mache sich da keine Sorgen.
Der Halt in Merklingen sei sinnvoll, „er darf aber nicht zulasten des gesamten Systems gehen“, sagte Baubürgermeister Christian Kuhlmann. Darüber sei man sich im IV Südbahn einig. Derzeit gebe es aber noch keine Lösung: „Ich bin gespannt, zu welchen Ergebnissen wir da kommen werden.“
2017 soll der Spatenstich für den neuen Bahnhof bei Merklingen erfolgen . Später sollen dort Nahverkehrszüge halten, die zwischen Stuttgart und Ulm auf der neuen ICE-Trasse verkehren werden. Rund 43 Millionen Euro kostet der Bahnhof, finanziert vom Land und den Kommunen der Laichinger Alb, die einen Festbetrag von 13 Millionen zahlen.
Um mögliche Auswirkungen durch den Bahnhof auf die Südbahn zu vermeiden, zahlen Land und Laichinger Region rund drei Millionen Euro. Dadurch soll gewährleistet werden, dass Reisende auf der durchgehenden Südbahn – zum Beispiel zwischen Ulm und Ravensburg – vom Halt in Merklingen nicht tangiert werden. Dies teilte das Verkehrsministerium am Dienstag auf SZ-Anfrage mit. Der Fahrzeitverlust durch den Bahnhof beträgt rund 2,4 Minuten.
Am 2. Dezember soll der Realisierungsvertrag zwischen Land, den Kommunen der Laichinger Alb sowie der Bahn für den Bahnhof unterzeichnet werden. Bisher ist die Laichinger Alb abgeschnitten vom Bahnhverkehr, sie trägt im Gegenzug die Last der riesigen Bauarbeiten für die neue Trasse – von der vor allem die Menschen in Oberschwaben profitieren. Sie wären dann deutlich schneller in Stuttgart oder am Stuttgarter Flughafen.
Am Dienstag teilte das Ministerium weiter mit: Gemeinsam mit der Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg (NVBW) habe man sich hinsichtlich der Südbahn die „gesamten Verkehrsbeziehungen“ angesehen und eine Prüfung durch die Bahn beauftragt. Ergebnis: Die „Fahrbarkeit“ des Fahrplankonzepts auf der Strecke zwischen Stuttgart und Lindau wurde bestätigt. Dazu sollen zwei zusätzliche Blocksignale je Richtung auf der Südbahn zwischen Aulendorf und Mochenwangen zur Verringerung der Zugfolgeabstände installiert werden, ebenso zwei weitere Blocksignale je Richtung südlich von Ulm. Diese werden notwendig, wenn vom Alb-Donau-Kreis sogenannte RB-Verdichter im Rahmen des Projekts „Donau-Iller-S-Bahn“ bestellt werden.
Probleme tauchen jedoch auch auf: nämlich Anschlussverluste in Aulendorf. Diese könnten auftreten in/aus Richtung Kißlegg (vom IRE zweistündlich). Nach aktuellem Stand, so das Ministerium, bestehe nur die Möglichkeit, Richtung Kißlegg nach Lösungen zu suchen. Die konzeptionelle Planung für die Allgäubahn und damit für den Knoten Kißlegg und die Strecke Kißlegg-Aulendorf ist durch den bayrischen Aufgabenträger aber noch nicht abgeschlossen. Zudem würden sich neue zu berücksichtigende Rahmenbedingungen des Fernverkehrs für die Strecke Stuttgart-Ulm abzeichnen, die auch für die Planung des Regionalverkehrs zu berücksichtigen wären. Das Ministerium sei in einem „kontinuierlichen Austausch“ mit dem Interessenverband Südbahn. Dabei werde besprochen, wie die Auswirkungen des Bahnhofs Merklingen auf die Südbahn verringert werden können.