diezge schrieb:
> Sehr treffend finde ich folgenden Satz:
> „Als Verbund sind wir mit unseren Fahrgästen
> gemeinsam Opfer einer fehlgeleiteten
> Verkehrspolitik, die mit Billigpreisen darüber
> hinwegtäuscht, dass ein für die Mobilitätswende
> substantielles und nachhaltiges SPNV-Angebot gar
> nicht verfügbar ist.“
Von mir gibt es nur wenig Zustimmung zu den aussagen des bodo. Sicher wären die Milliarden am besten in Infrastruktur und der Bestellung von Mehrleistungen aufgehoben. Sofern diese nur sehr dosiert in Tunnelbahnhöfen und Schnellfahrstrecken vergraben werden und die Maßnahmen tatsächlich einer signifikanten Erhöhung der Leistungsfähigkeit von Knoten und Strecken dienen und die Reisezeit verkürzen. Vor allem: Wir dürfen mit der Verkehrswende nicht warten, bis die Infrastruktur (sehr optimistisch in 5 oder 10 Jahren) vielleicht wunschgemäß ausgebaut ist. Sondern wir müssen sofort damit anfangen, wirksame Maßnahmen zu ergreifen. Neben Maßnahmen, die den ÖPNV attraktiver machen, wäre beispielsweise auch eine Erhöhung der Parkgebühren in den Städten denkbar, aber unpopulär. Wer unsere Parkgebühren für zu hoch hält, sollte sich gerne einmal in den Niederlanden umschauen. Auch in Kleinstädten.
Ich bin mit einer Südbahn mit beginnendem Taktverkehr aufgewachsen. Mal gab es Stundentakt, mal Lücken von anderthalb Stunden. Wenn ein D-Zug gefahren ist, gab es keinen Eilzug in der entsprechenden Stunde. Nahverkehrszüge gab es nur eine handvoll und auch nur zu den HVZ an Werktagen. Heute zwei RE die Stunde, zusätzlich mindestens stündlicher Nahverkehr zwischen Ulm und Biberach sowie zwischen Aulendorf und dem Hafen. Wenn ein Fernverkehrszug verkehrt, wird der NV nicht ersetzt, sondern das ist eine echte Zusatzleistung. Haltepunkte wurden reaktiviert oder neu gebaut. Auch im Busbereich wurden neue Stadtbussysteme geschaffen und Überlandlinien vertaktet und ausgebaut. Warum sollte dieses Angebot, zumindest abseits der aktuellen Ausfallproblematik, nicht "substantiell und nachhaltig" sein?
Wie viel mehr an ÖPNV brauchen wir den noch, damit eine Verkehrswende funktionieren soll? Da alle Züge gut besetzt sind müssen die Fahrgastzahlen auf der Südbahn in diesem Zeitraum ganz gewaltig angewachsen sein. Auf der Bodenseegürtelbahn verkehren inzwischen nahezu so viele Züge, wie deren Infrastruktur ermöglicht. Geht es darum, wirklich allen Menschen eine Alternative zu bieten oder wäre nicht schon viel gewonnen, wenn mehr der Menschen, für die das bestehende Angebot von Bus und Bahn bereits heute eine Alternative wäre, diese auch nutzen würden.
Der öffentliche Verkehr ist von Corona gebeutelt und musste massive Fahrgastverluste hinnehmen. Für mich ist es das größte Handicap des ÖPNV, dass viele Menschen ein für bestimmte Teile ihrer Mobilität attraktives Angebot haben, es aber nicht kennen. Durch das 9-EURO-Ticket wird ziemlich viele Menschen dazu gebracht haben, die App oder Website der Deutschen Bahn oder ihres örtlichen Verkehrsverbundes erstmals aufgerufen zu haben und überlegt zu haben, ob dass für ihre Zwecke ein attraktives Angebot ist. Nicht wenige davon haben es auch ausprobiert. Und haben es zumindest über den Aktionszeitraum hinweg auch so getan. Das der ÖPNV auch für den Freizeitverkehr taugt, ist dabei eine für viele überraschende Erkenntnis. Auch wenn das "Lustfahrten" sind. Statt eines Ausflugs mit Bus und Bahn wären sehr viele dieser Fahrten mit dem Auto durchgeführt worden.
Ja, es ist blöd, dass jetzt gerade quasi bundesweit nicht wenige Fahrten von Bussen und Bahnen ausfallen müssen, weil es auf wegen extrem hohem Krankenstand an Personal fehlt. Auch, weil Reserven fehlen und weil zu wenig Nachwuchs herangezogen wurde. Aber auch, weil man gespart hat und Leistungen in schlechter bezahlte Konstrukte auszulagern.
Ich finde die Milliarden für das 9-Euro-Ticket bereits sehr gut angelegt, wenn wir am Ende die durch Corona verlorenen Fahrgäste zurückbekommen. Wenn es ein dauerhaft einfaches und günstiges Angebot geben wird, umso besser.
Mir persönlich gefällt der 69€-Vorschlag des VDV sehr gut. Ich gehe davon aus, dass dieser in der Praxis um reduzierte Angebote für Auszubildende und bei 100%-Abnahme (z.B. 49€/29€), Tageskarten (z.B. 15€) und Tickets für einfache Fahrt (z.B. 5€ für eine Stunde, 9€ für vier Stunden) ergänzt würde. Damit wären qusai alle tariflichen Angebote, die nicht wirklich greifbar sind abgelöst. Es gäbe noch Tickets für eine Kommune oder bundesweit gültige Tickets. Alle Übergangsregelungen an Verbund und/oder Bundeslandgrenzen wären damit obsolet.
Zur Finanzierung. Der VDV geht von 2 Mrd €/Jahr aus. Die Subventionierung der Plug-in-Hybriden als privat genutzte Dienstwagen kostet uns rund 1,2 Milliarden € im Jahr. Die Überprüfung/Abschaffung dieser Regelung ist übrigens im Koalitionsvertrag verankert. Ich würde zusätzlich die 1%-Regelung für Verbrenner-Dienstwagen auf 1,5 oder 2% erhöhen und die für vollelektische Fahrzeuge als neuen Standard von 0,25% auf 1% erhöhen. Damit sollte viel Geld für die Bestellung zusätzlicher Leistungen und den Ausbau der Infrastruktur vorhanden sein.
Eine Hoffnung halte ich jedoch nicht für realistisch, div Verschlankung der Verwaltung des ÖPNV. Die Planung und Organisation des ÖPNV erfolgt am besten vor Ort. Nur dort besteht eine enge Anbindung an Fahrgäste und die lokalen Akteure. Jede Reduzierung des Fahrgastanteils bei der Finanzierung des Angebots wird die Notwendigkeit erhöhen, bei der Vergabe von Verkehrsleistungen belastbare Qualitätsregelungen zu definieren. Und deren Umsetzung zu überwachen sowie wenn erforderlich in der Vergabe angekündigte Restriktionen zu verhängen.
Grüßle
Thomas
Das Projekt heißt Stuttgart 21, weil: 21 Jahre Bauzeit, 21 Milliarden Baukosten, 21% CDU.
Die Bundesbahn vor 40 Jahren:
Bahnhof MochenwangenWarthausen bis AulendorfStrecke Meckenbeuren - Tettnangnoch mehr zwischen Einsingen bis Aulendorfein wenig IsnyRoßbergbahn in den 80ernNiederbiegen bis WeingartenAnschlußgleis zur Fa. Stoz in WeingartenAbschiedsfahrt Öchsle und frühe Museumsbahn